11phi1: Beltracchi und die Kunst

Zitate aus dem Film und aus anderen Gesprächen mit Wolfgang und Helene Beltracchi

„Eine Fälschung wird es mit der Signatur.“

Ich kann alles malen.

Was Beltracchi gemacht hat, ist „Verrat an der Kunst“

Beltracchi: „Ich habe verdient. Andere haben damit aber noch mehr verdient.“ (Er spielt auf ein von ihm gefälschtes Bild an, das er für 25.000 Euro gekauft hat. Wenige Jahre später tauchte es auf einer Auktion für 2,5 Millionen Euro auf).

Eine Sammlerin über ein von Beltracchi gefälschtes Bild: „Vorher war es ein Kunstwerk. Jetzt [wo ich weiß, dass es gefälscht ist] ist es ein Deko-Objekt.“

„Man kann eine Fälschung für 1,5 Mio besser verkaufen als für 10.000 Euro. Da fragt keiner mehr nach.“

Die Freundin eines Künstlers hat unwissentlich einen Beltracchi in der Hand gehabt und gesagt: „Das ist der schönste Wald, den der Künstler [Max Ernst] je gemalt hat.“

Fragen zum Thema Fälschung und Original

Warum wollen wir im Allgemeinen das Original und nicht die Kopie oder die Fälschung sehen?

Würde eine perfekte Kopie oder Fälschung nicht genauso unseren Ansprüchen genügen können?

Was sind andernfalls die wesentlichen Eigenschaften eines Kunstwerks, die es von seiner Kopie oder Fälschung unterscheiden?

Kann eine Fälschung eine Aura (Walter Benjamin) haben, wenn niemand weiß, dass es eine Fälschung ist?

Albrecht Dürers berühmtes Bild „Feldhase“ wird nur alle 5 Jahre im Original gezeigt, damit es gut erhalten bleibt. In der Zwischenzeit hängt eine davon ununterscheidbare Kopie in der Albertina in Wien. Die meisten Menschen wissen davon nichts und halten die Kopie für das Original. Ist es in diesem Moment das Original?

Marcel DuChamps „Readymades“ als Kritik an Kunst

Dass sich heute noch jemand an Readymades erinnert, hätte eigentlich nicht passieren dürfen. Und dass das Prinzip der Readymades zur Grundlage eines Stils werden konnte, ist eines der großen Missverständnisse der Kunstgeschichte. Die kleine Werkgruppe dieser zur Kunst geadelten Alltagsgegenstände [sind] untrennbar mit dem französischen Künstler Marcel Duchamp (1887–1968) verbunden […]. Die Originale sind fast alle verloren. Dennoch haben die Readymades den Kunstbegriff, das Verständnis von Kunst revolutioniert.

Readymades sind, wie das Wort sagt, bereits fertige, vorgefundene Gegenstände, industriell in Serie hergestellt und fast überall erhältlich. Das Konzept Readymade beruht auf der bloßen Auswahl eines dieser x-beliebigen Objekte. Als Marcel Duchamp 1913 mit dem Fahrrad-Rad sein erstes Readymade schuf, war er auf der Suche nach etwas, das weder Kunst noch Anti-Kunst ist, etwas, das sich durch Indifferenz gegenüber allen ästhetischen Kategorien auszeichnet. Er wollte ein Werk schaffen, das kein Kunstwerk ist: ohne künstlerische Gestaltung und damit ohne persönlichen Ausdruck. Er montierte das Vorderrad eines Fahrrads mit der Gabel auf einen Hocker, der niemals Sockel sein sollte. »1914, und auch noch 1915, hatte ich in meinem Studio ein Fahrrad, das sich völlig zweckfrei drehte«, lautet dazu Duchamps Kommentar; und: »Dieser komische Apparat hatte keinen Zweck, außer den Kunstcharakter loszuwerden.« 1914 wollte Duchamp einen Flaschentrockner signieren, den er in einem Pariser Kaufhaus erworben hatte. Beide Objekte wurden nie ausgestellt und gingen nach seinem Umzug von Paris nach New York im Jahr 1915 verloren. Es war nicht Duchamps Intention, die Stücke der Nachwelt zu erhalten. […]

Die Schneeschaufel mit der Inschrift »In advance of the broken arm« von 1915 und der mit Datum und genauer Uhrzeit versehene eiserne Kamm (1916) gehören ebenso wie der am Boden seines Ateliers festgenagelte Kleiderhaken und das Pissoir (Fountain), beide von 1917, zu den reinsten Formen von Readymades. Die schon in New York entstandenen Objekte sind unveränderte Alltagsgegenstände, die von Duchamp hier erstmals als Readymades betitelt wurden und allein durch den Akt der Auswahl zu dem werden, was sie sind. Der Betrachter ist derjenige, so Duchamps Theorie, der das Werk macht. Ausgehend von der Tatsache, dass jeder kreative Akt keine Neuschöpfung aus dem Nichts ist, sondern immer auf etwas bereits Vorhandenes zurückgreift, revolutionierte er mit der zufälligen Findung als Erfindung den Begriff der Kreativität.“

Der Künstler als Schöpfer und Genie

Nicht zuletzt unter dem anhaltenden Einfluss Kants in aestheticis gilt das Bild vom Künstler als »Genie« vielen bis heute als nachgerade selbstverständlich. Im 18. Jahrhundert verändert sich [das] Bild vom letztlich rational verfahrenden Künstler bekanntlich dramatisch. Jetzt erst wird er zum innovativen Genie stilisiert, das allein von sich aus Neues und Schönes hervorbringt, wobei von manchen Autoren nun sogar im Bruch mit allen überkommenen Kunstregeln der eigentliche Ausdruck der individuellen Genialität eines Künstlers gesehen wird (vgl. Schmidt 1985, 1, 96ff.). Diese Neu- bzw. Umdeutung des Künstlers geschieht, indem die Metapher vom Künstler als »zweitem Gott«, die bei Alberti noch gänzlich auf die unvergleichliche Vergegenwärtigungskraft von Gemälden als solchen bezogen war, nun als Behauptung einer Parallele zwischen göttlicher und künstlerischer Schöpfungskraft aufgefasst und die individuelle Befähigung des einzelnen Künstlers, im dezidierten Rückgriff auf Motive der platonischen Dichtungstheorie im Ion, in eine außerrationale Gabe verlegt wird: z.B. in eine Inspiration durch eine gleichsam »göttliche Kraft« (533d), von der in einer primär an Kunstregeln interessierten Theorie wie derjenigen Albertis noch gar nicht die Rede war. Als »Genie« wird der Künstler jetzt sozusagen zum Günstling Gottes, wenn man – wie Schelling – seine zur künstlerischen Produktion befähigende Gabe als »Genius, das inwohnende Göttliche des Menschen« (Schelling 1985b, 288) bezeichnet, oder doch mindestens zum »Günstling der Natur« (Kant 1968, 318), sofern man wie Kant glaubt, solche Begabung als eine naturale Anlage einzelner Menschen explizieren zu können. Er vermag etwas aus dem dunklen Quell der Inspiration zu schöpfen, was keine rationale Regelanwendung hervorbringen kann: das schöne Kunstwerk. Dass der Geniebegriff als Korrektiv zu einer Kunstwerke auf Gestaltungsregeln zurückführenden Kunsttheorie durchaus sein begrenztes Recht hat, bekannte sogar Edgar Zilsel (1891-1944), sein schärfster Kritiker, der einer im späten 19. Jahrhundert quasi religiöse Züge annehmenden Genieverehrung entgegentrat. »Dass für den Künstler«, so schrieb er in seinem Buch Die Geniereligion (1918), »echtes Gefühl und ursprüngliche Begabung wichtiger sind als äußere Regeln, dass das Kunstwerk kein Produkt des rechnenden Verstandes ist und die Kunst sich nicht von einem jeden erlernen lässt, dass nicht Nachahmung, sondern Originalität dem Künstler ziemt, das alles sind Wahrheiten, die heute zu [Allgemeinplätzen geworden sind].“